Samstag, 21. Juni 2014

Immer weiter


Regen fällt mit sanften Schlägen auf meine  Haare. Langsam stecke ich mir die Kopfhörer meines iPods in die Ohren und schaue an mir herunter. Meine blauen Flecken an den weißen Beinen passen gut zu meinen dunkelblauen Laufschuhen, wie mir auffällt. Lustlos schlurfe ich die lange Auffahrt unseres Hauses herunter und schalte die Musik widerwillig an: "Titanium" von David Guetta. Eigentlich bin ich viel zu müde um zu laufen, weil es gestern wieder spät geworden ist. Aber ich hab gestern dermaßen damit angeben, schon um 7 zu laufen, also muss ich jetzt auch.
Die Musik  passt ja sowas von gar nicht, denke ich mir und verdrehe innerlich die Augen. Dann ist es so weit: Am Ende der Auffahrt setze ich mich in Bewegung und trabe los. Das geht ja leichter als gedacht, denke ich mir, als ich die erste Ecke passiere. Im Hintergrund, irgendwo in meinem Kopf, singt eine Frauenstimme "You shoot me down but I won't fall "cause I'm Titanium". Und ich fühle mich unbesiegbar, seit Langem mal wieder. 
Aber das hält nicht lange an. 
Nach fünf Minuten weckt ein ungutes Gefühl mich aus meiner entspannten Trance. Es ist das Knie. Aber nicht wie sonst das Linke, nein, seit längerem ist es das Rechte. Warum das denn? Es ist der gleiche, stechende Schmerz wie immer, nur halt auf der falschen Seite. Will mich hier jemand verarschen?! 
Mit jedem Schritt wird es schwerer sich aufrecht zu halten. Mit jeder Belastung weite ich meine Schmerzgrenze weiter aus. Und mit jedem Meter merke ich, wie es schlimmer wird und wie sehr ich auf der Stelle trete. Immer wieder merke ich, wie die Sehne gedehnt, entspannt und wieder gedehnt wird, wobei meine Kniescheibe verrückt spielt. Mit jeder Minute verzweifle ich immer mehr, weil ich gedacht hatte, dass das vorbei ist. Ist es aber nicht. Irgendwann kann ich nicht mehr. Aber ich höre nicht auf zu laufen, nein, tränen schießen mir in die Augen, aber ich laufe weiter. Denn es gibt schlimmere Dinge, als ein Knie, das einen von seinen Zielen abhält. Viel schlimmere Dinge, wie zum Beispiel eine tödliche Krankheit oder das man den verliert, denn man liebt. Dagegen ist das hier nichts, was erwähnenswert wäre. Ich stolpere über die Steine den Berg hoch und als ich oben bin, fließen und fließen die Tränen umso mehr.
Denn Schmerz verlangt gespürt zu werden.

Bis zum nächsten Samstag,
Maybritt


1 Kommentar:

  1. Ach du Arme!
    So Knie-Probleme kenne ich auch zu gut. Wünsche dir gute Besserung.
    (Aber sehr vorbildlich, dass du trotz des späten Abends um 7 Laufen gehst)

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